SISTERS & BROTHERS

500 Jahre Geschwister in der Kunst

19.11.2022 - 16.04.2023

Wir alle sind in Familien aufgewachsen und auch wenn wir diese als Heranwachsende verlassen, bleiben wir meistens weiterhin mit unserer Ursprungsfamilie in Kontakt. Was wir in unserer ›Familie‹ erleben, ob wir Einzelkinder sind oder Geschwister haben, hat Auswirkungen auf unser gesamtes Leben. Überraschenderweise jedoch wurde die längste und nicht selten intensivste Beziehung im Leben eines Menschen – die Geschwisterbeziehung – bislang in den Wissenschaften kaum erforscht und noch nie zum Thema einer Ausstellung gemacht. Mit SISTERS & BROTHERS. 500 JAHRE GESCHWISTER IN DER KUNST dokumentiert die Kunsthalle Tübingen das facettenreiche Thema der Geschwisterbeziehung in der bildenden Kunst erstmals umfassend mit rund 100 Werken.

Aus kulturhistorischer Perspektive machen die gezeigten Gemälde, Skulpturen, Objekte und Videos die Veränderung der Geschwisterdarstellungen vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart anhand eines chronologischen Parcours anschaulich. Dieser führt vom schönen Schein der Genremalerei über das romantische und bürgerliche Geschwisterbild bis zu Darstellungen der Gegenwart. Gerade die zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler brechen die historischen Geschwisterdarstellungen in ihren Werken heute nicht nur ironisch, sondern unternehmen darüber hinaus eigene »Tiefenbohrungen«, die auch die herausfordernden Seiten in den Beziehungen von Geschwistern ausleuchten. Nicht zuletzt zeigen sie, dass das Thema auch Zukunftspotential birgt.

Ob Zwillinge, Geschwister, Stiefgeschwister oder Geschwister im Geiste, wer mit anderen aufwächst, ist konfliktfähig und übt sich meist früh in Fürsorge und Solidarität – kurz der oder die erwirbt sich wichtige Schlüsselqualifikationen für ein menschliches Miteinander.

Begleitend zur Ausstellung entsteht ein umfangreicher interdisziplinärer Katalog mit Beiträgen von Tilman Allert, Nicole Fritz, Tilo Grabach, Zita Hartel, Bernd M. Meyer, Sabine Wienker-Piepho. Die Publikation leistet einen wichtigen Auftakt für eine längst überfällige, fundierte Analyse von Geschwistern in unserer Gesellschaft.

Die Ausstellung wird anschließend vom Lentos Kunstmuseum Linz, Österreich übernommen.

 

Konzept und Kuration: Dr. Nicole Fritz

Kuratorische Assistenz: Zita Hartel und Lisa Maria Maier

Eine Ausstellung der Kunsthalle Tübingen in Kooperation mit Lentos Kunstmuseum Linz

 

Künstler*innen der Ausstellung
Nevin Aladağ, Joseph Beuys, Miriam Cahn, Eugène Carrière, Gustave Courbet, Otto Dix, VALIE EXPORT, Asana Fujikawa, Julie Hayward, Erich Heckel, Christine und Irene Hohenbüchler, Christian Jankowski, Alexej von Jawlensky, Hanns Ludwig Katz, Heinrich Kühn, August Macke, Nicholas Nixon, Idowu Oluwaseun, Helga Paris, Joanna Piotrowska, Emy Roeder, Anton Romako, Karl Schmidt-Rottluff, Thomas Schütte, Moritz von Schwind, Cindy Sherman, David Sulzer, Gert & Uwe Tobias, Erwin Wurm, Georg Friedrich Zundel, u. a.

 

 

Gefördert von:

 

 

 

 

In Kooperation mit dem

Christian Jankowski

I Was Told To Go With The Flow

02.07.2022 - 30.10.2022

Christian Jankowski zählt zu den einflussreichsten Aktions- und Konzeptkünstlern seiner Generation. Insbesondere mit seinen subversiven Performances und Aktionen überrascht er die internationale Kunstwelt bis heute immer wieder von neuem. Seinen unverwechselbaren künstlerischen Ansatz einer systemischen, gesellschaftsbezogenen Praxis entwickelte der 1968 in Göttingen geborene Künstler auch als Reaktion auf die Kontext-Kunst der 1990er Jahre.

Prägend waren für Jankowski, der Anfang der 1990er Jahre in Hamburg studierte, zum einen die partizipatorischen Werkaktivierungen eines Franz Erhard Walther wie auch der `Bildverweigerer´ Stanley Brouwn, der wie Franz Erhard Walther den Kunstbegriff auf die Betrachtenden hin erweiterte. Darüber hinaus beeinflusst haben Jankowski aber auch Martin Kippenberger und Werner Büttner, die gesellschaftspolitische Themen subversiv-ironisch in Bild und Wort dekonstruierten.

Bereits als Student sorgte Jankowski mit Aktionen wie Die Jagd (1992) für Aufsehen, als er in archaischer Manier Lebensmittel mit Pfeil und Bogen im Supermarkt erlegte. Seine Jagd zwischen den Supermarktregalen machte den damals 23-jährigen sozusagen über Nacht bekannt. In seinen frühen Performances und Videos trat er nicht selten selbst als Protagonist auf, um das rationale Bewusstsein zu irritieren und das Publikum mit Werken wie Mein Leben als Taube (1996) im wahrsten Sinne des Wortes wieder zu verzaubern.

Um die Jahrtausendwende weitete Jankowski seine Kunst dann auf gesellschaftliche Systeme der Religion, der Politik und der Unterhaltungsindustrie aus. Er selbst blieb als Bildgestalter zunehmend im Hintergrund. Stattdessen bediente sich der Künstler vielmehr an bestehenden medialen Formaten und ihren Produktionsabläufen, um Routinen der jeweiligen Profession deutlicher vor Augen zu führen. TV-Priester, Politiker oder Wahrsagerinnen wurden von Jankowski in Kollaborationen verwickelt und so freiwillig, mitunter aber auch unbewusst, zu Mitspieler*innen. Diese Aneignungs-Strategie kulminierte 2011 schließlich in Casting Jesus (2011), bei der er Vertreter des Vatikans dazu brachte, im Format einer Casting Show den besten Jesus zu küren.

Unter dem Titel I WAS TOLD TO GO WITH THE FLOW stellt die große Werkschau in der Kunsthalle Tübingen das umfangreiche Œuvre Jankowskis – das neben Filmen auch Fotografie, Skulptur und Malerei umfasst – im Überblick vor. Die Metapher des reisenden Künstlers führt dabei mitten ins Herz der künstlerischen Praxis von Jankowski. So ist das Reisen nicht nur konstanter Bestandteil seines Lebens, sondern auch seiner DNA als Künstler förmlich eingeschrieben. Mit der Distanz des Forschenden begegnet Jankowski auch der eigenen Kultur. Die Ausstellung lädt ein, unsere Lebenswelt, Geschichte, Medien und die Kunst mit neuen Augen zu sehen.

Begleitend zur Überblicksschau in der Kunsthalle Tübingen erscheint darüber hinaus ein umfangreiches Katalogbuch mit Beiträgen von Karen van den Berg und Oobah Butler, das alle Werke des Künstlers von 2014 bis 2022 umfasst.

 

Kuratorin:

Dr. Nicole Fritz

 

Kuratorische Assistenz:

Lisa Maria Maier

 

Begleitend zur Überblicksschau in der Kunsthalle Tübingen erscheint der umfangreiche Katalog TRAVELING ARTIST mit Beiträgen von Karen van den Berg und Oobah Butler, das alle Werke des Künstlers von 2014 bis 2022 umfasst.